Montag, 29. August 2011

Taschenkalender SyndiKal 2012 - Syndikat-A Medienvetrieb


Der neue SyndiKal 2012 - bestellt so schnell wie möglich!

Taschenkalender SyndiKal 2012 - Syndikat-A Medienvetrieb

Für viele ist er in den nunmehr sechs Jahren seines Bestehens zum unverzichtbaren Begleiter durch das Jahr geworden: «SyndiKal» der kleine kollektive Organisator und Taschenkalender gegen die Zumutungen des Kapitals und der Lohnarbeit. Auch für das Jahr 2012 hat die Kalenderredaktion des Syndikat-A-Medienvertriebs wieder eine Vielzahl von Themen, Hinweisen und nützlichen Adressen für den täglichen Widerstand am Arbeitsplatz, bei Amt, in Schule, Uni und Stadtviertel zusammengestellt.

Buchhandlungen können den SyndiKal zu den üblichen Konditionen bei uns bestellen (Tel./Fax. 02841 537316). Die ISBN lautet 978-3-9810846-2-7.

Unser Kalender-Schwerpunkt dieses Jahr liegt in der Vorstellung von Kämpfen migrantischer ArbeiterInnen. Dazu gehört die internationale Kampagne gegen Ausbeutung bei OTTO Workforce ebenso wie der Versuch, polnische ArbeiterInnen in ihrem Kampf gegen Lohnraub bei Grenzland, einer niederrheinischen Gartenbaufirma zu unterstützen. Um moderne Tagelöhner geht es in einem Beitrag um bulgarische ArbeiterInnen in München und anderswo. Keine Papiere – keine (Arbeits-)Rechte reißt die Frage an, ob KollegInnen ohne gültige Aufenthaltspapiere tatsächlich komplett rechtlos sind oder ob sie sich auch juristisch wehren können und welche Fallstricke dabei lauern können. Hausarbeit macht nicht nur Arbeit, für Millionen von Frauen weltweit gilt auch Hausarbeit ist Lohnarbeit. Sie wird von einem der weltweit mobilsten Sektoren der Klasse geleistet und nur allzuoft vergessen. Neun Chancons gegen Lohnarbeit stellt eine legendäre Scheibe aus der Nachfolge des Mai 1968 vor, die bis heute wenig an Aktualität verloren hat. Um ganz moderne Zeiten geht es in der Vorstellung der Digitalen anarchistischen Bibliothek. Die Maitage Barcelona 1937 erinnern uns daran, wie in der Revolution oft die Konterrevolution lauert und dass auch Anarcho-SyndikalistInnen nicht vor entsetzlichen Fehlern gefeit sind. In Fälscher für die internationale Revolte geht es um das abenteuerliche Leben des spanisch-französischen Anarchisten Lucio Urtubia. In Zur Revolution in Ägypten gibt der ägyptische Anarcho-Syndikalist Jano Charbel Auskunft zur Lage der Dinge. Arbeitsrechtsgymnastik in der Leiharbeit ist leider nötiger denn je und sollte als Begleitmusik zum Kampf um die Abschaffung dieser speziellen Form von Ausbeutung verstanden werden. Zu Unrecht fast vergessen, stellen wir euch in Mit dieser Welt gibt es keine Verständigung den französischen Schriftsteller Benjamin Peret vor. Und auch sonst noch das eine oder andere.

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Dienstag, 9. August 2011

日本の仲間のみなさん


親愛なる仲間、同僚、同志のみなさん

私たちドイツのアナルコシンディカリスト自由労働者連合(FAU-IWA)は、この数週間で5000ユーロ(約55万円)の寄付金を集めました。
地震と津波、そして福島の原発事故のあと、多くの仲間、同僚そして同志たちがみなさんの力になりたいと思っています。

この5000ユーロが大した金額でないことはわかっています。ですがわたしたちは、この寄付が皆さんが緊急の助けすを要する地域の人々を支援する助けになればと望んでいます。

この寄付を送金できる銀行口座を知らせてください。そしてこの寄付金がどのプロジェクトに使われたか、それによってどこに送金されたかを私たちに伝えてください。


アナルコシンディカリスト的親愛をこめて
自由労働者連合FAU(IWA会員)業務委員会より

Donnerstag, 31. März 2011

Catastophe Aid Fund for Precarious Workers in Japan

Given the vast destruction wrought by the earthquake and tsunami on 11 March 2011 and given the threat of a nuclear disaster caused by the destroyed nuclear power plant in Fukushima I, the FAU-IWA launched a solidarity and aid fund for precarious workers in Japan - the "Freeters Solidarity Fund". As an anarcho-syndicalist grassroots trade union, our first concern is the many precarious workers (Freeters), who were excluded even before the disaster, often forced into appalling working and living conditions. It calls for donations for the relief and solidarity fund whose resources are to be used in close consultation with the "Freeters Zenpan Roso," a self-organized group of precarious workers in Japan. Donations, can be sent to the following account: FAU, FAU, Konto 96152201, Postbank Hamburg (BLZ 200 100 20) under the codeword "Freeters". Every little contribution is welcome as an expression of living class solidarity.


Who are the "Freeters"?

Precarious workers are the other side of the glittering facades of the Japanese export economy. They existed for a long time, during the neoliberal reforms of the 90s but during the current economic crisis, their numbers exploded. There are hundreds of thousands among them, somehow getting by from one low-paying job opportunity to the next. Many are young, many are educated. They are socially stigmatized and marginalized, often crammed together in barracks on the outskirts of large cities, many homeless. Some of them call themselves "freeters", an invented word, a contraction of "freelancers" and "Arubaito" (from the German word for work), a Japanese term for day labor or temporary work. Freeters are also recruited in Japan as "disposable workers" who do dirty and work for a minimum wage. Also among workers who are currently trying to contain the disaster caused by the destroyed nuclear reactors at the Fukushima nuclear power plant you should find "disposable workers". For several years, Freeters have been trying to organize themselves in trade unions and get out of the hellish exploitation and social exclusion.

Why the solidarity and aid fund?

Some may wonder why we have launched an independent aid and solidarity fund in support of Freeters. We have done this because we know from past experience that in the face of disaster, not all are equal. If you have money or influence, you have more ways to cope with the consequences. Those already destitute and in the margins of society face a much more difficult situation in the event of a natural or man-made disaster. This is how disaster management looks under capitalist conditions. We understand the fund as a direct act of solidarity among workers. We know that given the scale of the disaster and in view of the nuclear threat, what we can do is still too little. But we will not forget that Freeters went to the streets in different Japanese cities in 2010 to support FAU's industrial action at Kino Babylon Mitte and the threat of the de facto banning of the union.

What should the money be used for?

We will decide on the use of the money based on our existing contacts and in consultation with organizations of Freeters like the "Freeters Zenpan Roso." How that will look in any particular case will depend on how the disaster develops. It is possible, for example, that part of the money be used, given the deteriorating food supply situation, to purchase and distribute food. In the event that the radioactive contamination spreads further, prices for less contaminated food will rise in the future. Here too support might soon be necessary. There are even Freeters who want to leave or go to less affected parts of the country to live in safety. For many of them there is the matter of money for transportation and accommodation. We have already started to support Japanese comrades there.
How can I learn more?

1. For current information about the "Freeters Solidarity fund" we have set up a special page. There we will inform people over the next few weeks of the status of contributions and current developments relating to the Fund.

http://www.fau.org/soli/freeters

2. Background information on the Freeters and Freeters union "Freeters Zenpan Roso" can be found, for example at:

http://www.direkteaktion.org/187/freeter-zenpan-roso-prekaere-in-japan (In German)

http://asnewsx.blogspot.com/ (In German and Japanese)

http://freeter-union.org/union/ (In Japanese)

www.fau.org

Montag, 28. März 2011

Aufruf für eine Kampagne zur Errichtung einer Kommune der Flüchtlinge

1.

Es bedarf nicht der großen Reden, weder über die verheerenden Zerstörungen und Tragödien, die das Erdbeben am 11.3. verursachte, noch über die kommende katastrophische Situation. Zu dieser Stunde sehen wir, eine Koalition von Selbsthilfe-Gruppen von Obdachlosen und Arbeitern aus der Unterklasse in Sanya (einer Nachbarschaft in Tokyo, die den betroffenen Gebieten im Norden am Nächsten liegt) die Situation als nicht hinnehmbar an. Wir werden eine Kampagne starten, um die Flüchtlinge zu unterstützen. Dieser Kampf besteht in drei Aufgaben:

A) Ein System der Unterstützung durch und für die Menschen zu schaffen

B) Die Flüchtlinge aus den betroffenen Gebieten zu unterstützen und zusammen für ihre/unsere Rechte und Autonomie zu kämpfen

C) Zukünftige Flüchtlinge zu unterstützen, die es unvermeidlich durch die Folgen dieses Unglücks geben wird, und zusammen für ihre/unsere Rechte und Autonomie zu kämpfen

2.

Zu (A):

Die Japanische Regierung entsendet massive Einheiten der Selbstverteidigungskräfte in die betroffenen Gebiete. Im Gegensatz zum staatlich geleiteten Projekt besteht unsere dringlichste Aufgabe darin, ein System der Unterstützung zu schaffen, so klein es auch sein mag, das durch und für die Menschen funktioniert. Um einen Anfang zu machen, sollten wir einmal pro Woche Personen und Güter in diese Gebiete schicken. Wir nennen sie Rettungstruppen des Volkes.

Zu (B):

Die Flüchtlinge aus den betroffenen Gebieten haben bereits begonnen, in den verschiedenen, im Großraum Tokyo errichteten Einrichtungen zu leben, die allerdings jede Einmischung ziviler Unterstützungs-Gruppen zurückweisen und von denen gesagt wird, dass die von der Verwaltung ausgegebenen Rationen bei weitem nicht ausreichen, die Bedürfnisse der Menschen zu decken. Von daher ist es unsere Aufgabe, zu verstehen, was sie brauchen und dafür zu sorgen, dass sie es bekommen. Weiter ist notwendig, ein Projekt zu beginnen, in dem die Menschen ihr Leben mittelfristig durch und für sich selbst einrichten können.

Zu (C):

Der Lehman-Schock verursachte 2008 eine neue Welle von Flüchtlingen, versinnbildlicht in den sogenannten aufgegebenen Dörfern. Die obdachlose Bevölkerung in Sanya stieg dramatisch an. Aber die jetzige Situation lässt sich einfach nicht vergleichen. Bereits jetzt grassieren endgültige und vorläufige Entlassungen. Diejenigen, die wie wir obdachlos sind, wurden auf verschiedeste Art gnadenlos von den Effekten des Erdbebens getroffen.

3.

Zur Zeit ist die Regierung dabei, mehr als zehntausend Soldaten der Selbstverteidigungskräfte zu mobilisieren, während sie zugleich ihre Planlosigkeit verbirgt und versucht, jede Kritik an ihr zurückzuhalten. Unterdessen orchestrieren die Medien eine massive, aber leere Kampagne “Rettet Japan”, die in ihrer Tendenz nicht weniger bedeutet als eine neue Form totaler Mobilmachung, wie sie die Menschen schon während des faschistischen Regimes erlebten. Wir sehen darin den totalen Zusammenbruch der Art und Weise, wie Staat und Gesellschaft vor dem 11.3. organisiert wurden.

4.

Während unseres Kampfes gegen Zwangsumsiedlung und in Praxen, wie etwa der Einrichtung von Volksküchen, haben wir in den vergangenen Jahren nach einer Methode gesucht, die den Keim einer Gesellschaft des Volkes bereits im Prozess des Kampfes in sich trägt. Diese Bemühungen stecken noch in den Kinderschuhen. Angesichts der unglücklichen Situation glauben wir, dass es heute mehr denn je notwendig ist, all unsere Kräfte auf dieses Ziel zu konzentrieren. Dies muss ein aus vollem Herzen kommendes Nein zur Wiederherstellung der alten Gesellschaft beinhalten, der Wiederherstellung einer auf Atomenergie aufbauenden Gesellschaft, und eine Bewegung, die auf die Schaffung einer Gesellschaft durch und für die Menschen gerichtet ist.

5.
Wir wissen, dass wir im Moment , was materielle Macht betrifft, weitaus schwächer dastehen als das Projekt des Staates. Wir könnten sie übertreffen, wenn und nur wenn es uns gelingt, die Macht der Vielen zu sammeln. Wir rufen all jene Individuen und Bewegungen zur Zusammenarbeit auf, die unsere Zielsetzungen teilen.

21. März 2011

Arbeiterwohlfahrts-Zentrum Sanya
Sanya Kampf-Komitee
Kampf-Komitee gegen Arbeitslosigkeit
http://jfissures.wordpress.com

Statement zum Atomunfall in Fukoshima

“Unerwartete Situation” ist die Formulierung, die wiederholt benutzt wurde, um den Tod von zehntausenden in der jüngsten Katastrophe zu rationalisieren. Diese menschengemachte Unglück, ich wiederhole, diese schlimme menschengemachte Katastrophe, die noch immer hunderttausende Individuen der Strahlung aussetzt und das Leben von Millionen zerstörte, wird mit einer einzigen Formulierung rationalisiert.

Der gegenwärtige Zustand war zu keiner Zeit unerwartet. Viele Menschen haben wiederholt darüber nachgedacht und vor der Möglichkeit genau dieser Situation gewarnt. Vor einem schweren Unfall in einem Atomkraftwerk, die auf ein Erdbeben und einen Tsunami folgenden Wasserstoffexplosionen und dem massiven Austritt von Radioaktivität haben viele öffentlich gewarnt, nicht nur Anti-Atom-Aktivisten und Atomenergie-Experten.

Das Desaster wurde innerhalb des kapitalistischen systems selbst entwickelt.

Um den Energiebedarf von Tokyo und anderen Großstädten zu decken, wurden Millionen außerhalb der Metropolen lebende Menschen gewaltsam radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Alle Stromkonzerne Japans, mit Ausnaahme der in Okinawa, haben kontinuierlich von der Zerstörung der Lebensbedingungen der ländlichen Communities profitiert. Auch die japanische Regierung ist dafür verantwortlich, indem sie die Unternehmen durch die Erlaubnis lokale Monopole unterstützte und das legislative System in einer Art gestaltete, die dem Bau weiterer AKWs förderlich war. Stromkonzerne und Regierung müssen zahlen für ihre Schuld.

Die Regierung und TEPCO (Tokyo Electric Power Company) müssen alle geheimgehaltenen Fakten über die notwendigen Arbeiten, die im Kraftwerk von Fukoshima durchgeführt werden veröffentlichen. Welche Arbeiter laufen auf welchem Teil der Anlage herum, um die Reaktoren zu bewässern; wer verbindet die Rohrleitungen; wer öffnet die Ventile; wer wischt die rwadioaktiven Pfützen weg und ordnet es an... Wir fordern dies nicht, um eine heroische Erzählung zu schaffen, sondern um die Widerwärtigkeit der Lobgesänge auf die Arbeiter im Kraftwerk hinter uns zu lassen, die klingen, als wären sie der zum Opfer gewordene Held in Kenji Miyazawas utopischem Märchen oder die Wiederkehr des nationalen Geistes. Wir sollten uns von dieser zum Kotzen kaltblütigen Tatsache distanzieren, dass wir von den Arbeitern im Kraftwerk, um “Millionen Leben zu retten, verlangen, eine Arbeit zu tun, die wir selbst niemals machen wollen würden. Stattdessen sollten wir die Verweigerung von Arbeiten unterstützen, die Arbeiter dazu zwingt, in den Tod zu gehen.

Nun sind wir dabei, zu “Opfern der nuklearen Katastrophe” zu werden. Die ersten Opfer sind jene, die bereits jetzt radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren, während sie in den reaktoren arbeiteten, dann jene, die durch die Explosionen der Fukushima Daiichi Reaktoren auf lange Zeit mit Gesundheits-Risiken konfrontiert sind. Aber die nukleare Katastrophe ist damit nicht zu Ende. Die Unfälle werden die Landwirtschaft der gesamten Region Tohoku auf Jahre hin zerstören, und die Preise für sichere Produkte überall im Land, und anderswo, in die Höhe treiben. Gleichzeitig werden die städtischen Armen mit Sicherheit von der Verteilung sicherer Nahrung ausgeschlossen werden. Betriebe schließen aufgrund der, in Reaktion auf den Elektrizitätsmangel geplanten Stromsperre, die städtischen Armen werden unter Jobmangel und Einkommenskürzungen leiden; folglich reduziert sich ihre Kaufkraft. Wir alle sind Katastrophen-Opfer.

Wir fordern von TEPCO und der Regierung die unmittelbare Schließung aller Atomkraftwerke in Japan.

Beendet alle Geschäfte, die menschliches Leben verschlingen.

TEPCO muss allen Opfer der nuklearen Katastrophe Entschädigungen zahlen.

TEPCO muss die medizinischen und alltäglichen Kosten all jener übernehmen,die der Strahlung ausgesetzt sind, um sicherzustellen, dass sie von den gesundheitlichen Schäden, die sie erleiden, wieder genesen.

TEPCO muss allen Unternehmen die finanziellen Einbußen aufgrund der unvermeidlichen Schließung ihrer Betriebe nach dem Unfall ersetzen.

Sie müssen für alle Finanznöte derjenigen aufkommen, die zu Lohnkürzungen und in die Arbeitslosigkeit gezwungen wurden.

Wir wenden uns an alle, die nicht unmittelbar von den Folgen von Erdbeben und Tsunami betroffen sind. Verlassen wir die Endlos-Schleife der Strahlen-Nachrichten: das überwältigende Spaktakel von Tsunamis und Bränden, die Angaben zum Wasserstand in den Reaktoren, die Kommentare von stellvertretenden Wissenschaftlern und Spezialisten, die wiederholen, dass ”keine unmittelbaren Risiken für die Gesundheit” bestehen. Diese Radioaktivitäts-Information vermittelt uns eine unvermeidliche Hilflosigkeit, dass wir andere Wahl haben als zu beten; sie zwingt uns, die Enschuldigungen von Regierung und TEPCO stillschweigend zu rechtfertigen, die zu verschleiern suchen, wer und welches System verantwortlich dafür sind, die Katastrophe verursacht zu haben.

Wir glauben, dass es für uns unerlässlich ist, die Radioaktivitäts-Information außer Kraft zu setzen und damit zu beginnen, die wirklich Verantwortlichen zu benennen und strafrechtlich zu verfolgen.

17. März 2011
All Freeters' Union

Original Text:
http://d.hatena.ne.jp/spiders_nest/20110317/1300289557

Aufruf zum Generalstreik für den Atomausstieg

Ich kann es nicht ertragen
OH OH
Ich kann es nicht ertragen,
Nicht mehr länger...


Im Namen der Studenten, der informellen Arbeiter und der Statuslosen der Welt rufen wir zum Generalstreik auf, zum unmittelbaren Aussetzen aller Lohnarbeit, und fordern die unmittelbare Stilllegung aller Atomreaktoren und die Einstellung jeglicher Produktion von Atomwaffen. Wann, wenn nicht jetzt, können wir ein Leben ohne Atomkraft beginnen? Wo, wenn nicht in Japan, das derart unter der atomaren Katastrophe leidet, kann die Sehnsucht nach einer Welt ohne Atomenergie sich Bahn brechen?

Wenn Ihr, die Arbeiter, den Generalstreik für den Atomausstieg ignoriert, bedeutet dies, das aufkeimende Verlangen nach einer Welt ohne Atomkraft zu töten. Entsprechend der Unfähigkeit, die Kreaturen in den Unternehmen zu verurteilen, wird die Welt weiterhin von der Angst vor Atomkraft und der Dummheit der nuklearen Ideologen beherrscht werden (von denen, die Atomwaffen und Atomenergie propagieren). Nicht anders als die TEPCO (Energiekonzern von Tokio) und die NISA (Agentur für nukleare und industrielle Sicherheit) werdet ihr für alle Zeit von der gesamten Menschheit verachtet und verspottet werden.

Informelle Arbeiter, Studenten, die Armen, Lohnarbeiter und kleine Ladenbesitzer sind an ihre Arbeitsplätze in der Metropole gebunden und können nicht weg. Gebunden von der Logik des Kapitalismus versetzt sie die unsichtbare Strahlung just in diesem Moment in Angst und Schrecken. Der radioaktive Wind schlägt ihnen ins Gesicht, und doch können sie ihre Pflichten nicht vernachlässigen. Die Armen (oder wir) sind die Gestalt der heutigen Welt. Inmitten der Katastrophe, gebunden an den Kapitalismus, die Angeklagten der Katastrophe, dazu gebracht, der Katastrophe selbst zu dienen – in diesem Sinne Gestalten dieser Welt. Diejenigen auszurangieren (uns selbst), die in der Metropole bleiben, deren Exodus dringend empfohlen wird, ist nicht nur gleichbedeutend damit, sie (uns selbst) in den Abgrund von Tod und Verzweiflung zu stoßen, sondern auch die von ihnen (uns selbst) verkörperte Welt.

Lasst uns auf das Lied des Windes hören. Der Wind kennt die Antwort, die einzige Antwort besteht in einer Verschiebung, hin zu einer Welt ohne Atomkraft. Die Ausstieg aus der Atomenergie ist die Verpflichtung der gesamten Menschheit und seine Verwirklichung beruht auf dem unmittelbaren Verlassen der Arbeitsplätze von uns japanischen Arbeitern. Wenn Ihr den Mut habt, diesen Streik durchzuführen, wird die gesamte Welt mit Worten der Unterstützung und Taten der Solidarität antworten. Eine globale Bewegung wird entstehen, die den Herrschern der Welt für die Stilllegung der Atomreaktoren das Messer an den Hals setzt. Wenn Ihr den Streik feige ignoriert, wird die ganze Welt erfüllt sein von Bestürzung und Trauer. Der mit Atomenergie vollgepackte Planet wird euch weiter verhöhnen und die Pro-Atomkraft-Ideologen werden nicht einmal verbergen, wie sie euch herabwürdigen. Ihr werdet von der Welt weiterhin als „Sklaven der Konzerne“ verachtet werden.

Wir möchten euch bitten, noch einmal darüber nachzudenken, was eure Arbeitgeber euch verdammt noch mal gegeben haben. Die gegenseitige Unterstützung, Brüderlichkeit und Einvernehmlichkeit, die ihr am Arbeitsplatz mit euren Kollegen teilt, sind keine Geschenke der Unternehmen, sondern Beweis eurer eigenen Kraft. Bitte, unterschätzt nicht euer eigenes Potential. Denkt ihr, dass eure Arbeitgeber eure hochgeschätzten Familienbande und die Beziehungen zwischen euch schützen würden? Während ihr die Situation gebannt auf Bildschirmen verfolgt und versucht, sie richtig zu beurteilen, leben Mütter und schwangere Frauen ein furchtbares Leben in Angst vor Verstrahlung. Könnt ihr, nach alledem, damit fortfahren, ihnen zu sagen: „Keine Panik, macht euch keine Sorgen“? Wir sagen es noch einmal: Bitte, unterschätzt euer eigenes Potential nicht.

Es ist ein Krieg im Gange, in dem es keinen Feind gibt. Die gleichen Wasserwerfer, die in Ägypten auftauchen, um die revolutionären Kräfte niederzuwerfen, spritzen hier in Japan Wasser auf die Reaktoren, die sich heißen Stein verwandeln. Die Truppen, deren Aufgabe es angeblich ist, Angriffe der Achse des Bösen abzufangen, kämpfen gegen die Reaktoren, von denen dampfartige Substanzen aufsteigen.

Während das Trugbild der Nach-Kriegszeit ins Flimmern kommt, wartet der Nationalismus des ideologisch aufgeladenen Arbeiters im neuen Gewand des Wiederaufbaus darauf, die Bühne zu betreten. Es ist zum allgemeinen Verständnis der Welt geworden, dass Katastrophen nichts weiter sind als Geschäftsmöglichkeiten, die Utopie der Macht.

In den Hinterzimmern der Weltgipfel diskutieren die Führer der Welt ihre Nach-Katastrophen Doktrin. Wir sind einfach sprachlos, fragen uns, ob selbst diese einzigartige Verzweiflung, selbst diese einzigartige Hoffnung, die aus der Verzweiflung erwächst, letztendlich mobilisiert, verwaltet und regiert werden wird.

Selbst wenn der Rückfall in ein kritisches Stadium verhindert werden kann, das Vertrauen in Japan kann niemals wiederhergestellt werden. Es ist nicht mal einen Witz wert, dass das einzige von Atombomben verheerte Land in der Welt eine mit Three Mile Island und Tschernobyl vergleichbare atomare Katastrophe herbeigeführt hat. Das Vertrauen in den japanischen Kapitalismus ist verloren. Wenn sich Japan in irgendeiner Weise um seine Vertrauenswürdigkeit schert, muss es alle atomaren Unternehmungen stoppen und eine Bewegung initiieren, das globale nukleare Regime zu stürzen.

Beginnen wir einen wirklichen Krieg! Godzilla und Gwoemul, die Schrecken verbreitenden Kinder der Strahlung, mögen die Feinde der Herrscher und Unternehmen sein, unsere sind es nicht. Unser wirklicher Feind sind die Kapitalisten, die diese Monster erschaffen und die Welt mit ihnen bevölkert haben. Es ist höchste Zeit, sie von der Bühne zu werfen, ihnen jede Basis zu nehmen und diese Welt von ihnen zu befreien. Unsere Waffe ist der Generalstreik. Verlassen wir die wertlosen Arbeitsplätze, vertreiben wir den Geist mit Namen Ökonomie und tun wir alles, um den Opfern zu helfen. Jetzt!

19. März 2011
Komitee des Generalstreiks für den Atomausstieg

Freitag, 25. März 2011

Eine Email von einem Genossen der Freeter Union in Tokyo (FRZK)


GenossInnen!

Ich fahre mit der ersten Gruppe unserer Hilfsbrigade, die wir organisiert haben, jetzt (24.03.2011) in die betroffenen Orte. Unsere Gruppe besteht aus AnachistInnen der Freeter Union (Tokyo), Freie
ArbeiterInenn Union (Osaka), Kamagasaki Patrol (Osaka), Nojiren (Tokyo), Mitama Freie ArbeiterInnen Union (Tokyo), Mitgliedern verschiedener anarchistischen Gruppen, und weiteren Freiwilligen. Wir versuchen auch Kontakt zu den Streikenden von Sanya (Tokyo) aufzunehmen.

Ich würde vorschlagen, dass das Bündnis die Koordination der Hilfssendungen und Spendengelder übernimmt. Es war zuerst unklar, ob die Hilfsgelder, an staatliche Organisationen gehen sollten (es gab noch keine eigene Infrastruktur). Nun ist es uns aber endlich gelungen, unsere eigene Hilfsgruppe aufzubauen, die mit den freien Hilfsorganisationen der Obdachlosen, Behinderten und älteren Menschen in den betroffenen Orten, wie z.B. im AKW-Bezirk Fukushima I und II zusammenarbeiten, welche durch die Regierung und die Pro-Regierungsorganisationen im Stich gelassen werden. Jetzt kann ich versichern, dass wir die Spenden annehmen und selbst verteilen können. Wir nehmen im Rahmen der „ Hilfsbrigade“ neben den Spenden die uns über die FAU-IAA weitergeleitet werden auch die Spenden der IWW an.

Schöne Grüße an die FAU-IAA, alle UnterstützerInnen und die Freeter Union Fukuoka.

(…) Mich kann man ab heute nicht mehr erreichen, weil ich in die betroffenen Orte fahre.
Ich werde dort wahrscheinlich hoch verstrahlt.

Lasst uns das Beste hoffen!


Spendenkonto der FAU-IAA:
Konto-Nr.: 96152201
BLZ: 200 100 20
Postbank Hamburg

Stichwort: «Freeters»

Mittwoch, 16. März 2011

FAU-Soli: „Freeters Relief Fund“ gegründet


FAU-Soli: „Freeters Relief Fund“ gegründet

In Japan zeichnet sich nach einem Erdbeben der Stärke neun und einem z.T. über zehn Meter hohen Tsunami eine zusätzliche nukleare Katastrophe ab. Die FAU-IAA hat sich deshalb entschlossen mit dem „Freeters Relief Fund“ einen Hilfsfond einzuricheten. Einerseits sollen damit die GenossInnen in Japan finanziell unterstützt werden, andererseits wird es ggf. nötig sein anstelle von Bargeld Hilfpackete mit haltbaren Lebensmitteln, Medikamenten usw nach Japan zu schicken. Zu guter letzt sollen die Mittel im Falle eines Falles auch helfen Japan ggf. zu verlassen... - Überweist bitte auf folgendes Konto:

Freie Arbeiter- und Arbeiterinnen Union (FAU)
Postbank Hamburg
BLZ: 200 100 20
Konto: 961 522 01
Verwendungszweck: „Freeters Relief Fund“ oder "Freeters Fund"

Helft unserem Freund und Genossen A.:
Am 17.03.2011 wird unser Genosse A. aus Japan in der BRD eintreffen. Für ihn sammel wir (FAU-Düsseldorf) gesondert Geld. Der Flug aus Japan kostet 1.800€, die er sich vor Ort leihen musste. Je eher wir in der Lage sind dieses Geld nach Japan zu überweisen desto besser - es wird dort dringend gebraucht. Denn trotz zwei erschütternder Naturereignisse und der sich im vollem Gang befindlichen nuklearen Katastrophe hat der Kapitalismus nicht aufgehört zu existieren. Trinkwasser, Nahrung, Medikamente und selbst Beerdigungen kosten weiterhin Geld. Darum überweißt bitte auch speziell für unseren freund und Genossen A. auf unser Konto:

FAU-Düsseldorf - Gewerkschaft für alle Berufe
Volksbank Rhein-Ruhr eG
Kto.: 111 252 000 5
Verwendungszweck: MANGA
BLZ : 350 60 386
IBAN: DE25 3506 0386 1112 5200 05
BIC: GENODED1VRR


団結ーFAU Info 2011年3月19日

破局 - 日本のプレカリアート労働者たちへの支援基金



原文:http://www.fau.org/soli/freeters/art_110319-151228



3月11日に起こった地震と津波による破壊、 そして今も続く破壊された福島原子力発電所によってもたらされた核による破滅の危機を受けて、FAU-IAAは 日本のプレカリアート労働者たちに向けて『フリーター団結・支援基金』を設立することを決定しました。アナルコ・ディカリスト労 働組合として私たちはまず もって、この破滅的な災害によって社会から排除され、悲惨な労働および生存条件を共用されているプレカリアート労働者(フリー ター)たちのことを考えてい ます。FAU-IAAはすでに基本金を基金のために用意しました。加えてFAU-IAAはこのフ リーター団結・支援基金のための寄付を呼びかけています。この基金は日本のプレカリアート労働者たちの自助組織のひとつであるフ リーター全般労組と綿密な打ち合わせの上、使用されます。…(受付先口座の情報なので省略)…小口の寄付も歓迎します。



『フリーター』とはどのような人たち?


プレカリアート労働者たちは眩しく輝 く日本の輸出経済の裏面です。既に1990年代の新自由経済への移行の時代から 彼/女たちは存在していましたが、近年の経済危機によりその数は爆発的に増えています。彼/女たちの 中には、低賃金な短期雇用によって糊口をしのいでいる人たちもいます。多くは若者で、高学歴な人たちも多く存在します。家を失っ ている人たちも多く、彼/女 たちは社会的スティグマを烙印、排除され、大都市のバラックのような家に寄り添わざるをえなくなっていたりもします。中には自分 たちを「フリーランサー」 と「アルバイト(あるいはアルバイター)」の合成語であるフリーターを名乗っています。フリーターとは日給や派遣雇用で働く人た ちを指しています。フリー ターとは使い捨ての労働力の確保をし、危険で不快な仕事を最低の賃金でこなさせるために雇用される人たちのことです。「使い捨て の労働力」とは今、福島第 一原発のこれ以上の破壊による破滅を防ぐため必死で作業をしている人たちのことでもあります。数年前から、フリーターたちは自ら 労働組合を組織し、搾取の 地獄と社会的排除を防ぐため抵抗を続けています。



何のための団結・支援基金?


人 によっては、なぜフリーターを支えるために独立した団結・支援基金が必要なのかと質問します。私たちが基金を設立したのは、過去 から既に、このような破滅 に際して、皆が平等でないことを知っているからです。資金と影響力を持つ人たちは、今後起こるであろう事態の中、より多くの機会 を持っています。何ももた ない人たち、あるいは失った人たち、社会の隅に追いやられた人たちは、今回のような大災害では著しく手の悪いカードを握らされま す。これが、資本主義とい う条件下での災害マネージメントなのです。私たちはこの基金を、労働者たちの直接的な団結のためのアクションだと理解していま す。私たちは、自分たちので きることが、災害の規模の大きさと放射能の恐怖に対して小さすぎることを知っています。しかし、私たちは日本各地のフリーターた ちが2010年に、私たちFAUベルリンのバビロン・ミッテ映画館に 対する労働闘争と労働組合禁止令の脅威への支援のために路上に飛び出してくれたことを忘れていないのです。



どのように資金は使われますか?


基金からの団結のための資金の使用は、私たちが既に持っているネットワークとフリーター全般労組のような フリーター自助組織との申し合わせに基礎を置きます。個別の具体的な事柄は、今後災害がどのような事態になるかによります。可能性と しては、例えば

食糧・日用品供給が悪化した場合の買い入れや配布のために用いられることがありえます。

あ るいは、放射性物質による汚染が広範囲に広がり、汚染されていない、あるいは汚染の少ない食料の価格は上昇した場合です。あるいは近 々、災害や汚染によっ て国を去ったり、汚染の少ない地域で安全を確保したいフリーターの人たちが、緊急に支援を必要とする場合です。移動や宿泊費用の支援 も言うまでもありませ ん。既に私たちはそのための日本の同志たちへの支援を初めています。


もっと情報がほしい場合は?


1.

フリーター団結基金についての最新の情報のために私たちはサイトを特別に用意しました。次の数週 間、寄付の状況や基金に関する最新情報を得ることができます。

www.fau.org/soli/freeters

2.

フリーターおよびフリーター全般労組の詳細は以下のページからも得られます。


http://www.direkteaktion.org/187/freeter-zenpan-roso-prekaere-in-japan (ドイツ語)
http://asnewsx.blogspot.com/ (ドイツ語・日本語)
http://freeter-union.org/union/ (日本語)

Freitag, 11. Februar 2011

Tokyo Freeters Union (aus Direkte Aktion)

Freeter Zenpan Roso – Prekäre in Japan

Seit 2004 suchen prekäre ArbeiterInnen in Japan nach neuen Wegen der Organisierung – und entdecken dabei den Anarcho-Syndikalismus wieder.

FreetersKrise und Neoliberalismus haben Japan bereits vor Jahren erreicht. In der Folge ist die Anzahl prekärer Jobs explodiert. Seit 2004 organisiert sich ein Teil der prekär Beschäftigten in der Gewerkschaft der Freeters, die in der Tradition des japanischen Anarcho-Syndikalismus nach Strategien gegen den japanischen Kapitalismus von heute sucht. Dieser Beitrag erschien erstmals in der IWW-Zeitung „Industrial Worker“.

Der japanische Nachkriegs-Traum von der Errichtung einer durch die Mittelklassen bestimmten Gesellschaft liegt heutzutage begraben unter dem Schutt der allerorts präsenten Baustellen.

In Japan rettet sich der Großteil der jungen Menschen von einem befristeten Job in den nächsten, ohne viele Aussichten darauf, jemals einen festen Arbeitsplatz ergattern zu können. Zu diesen jungen Leuten gehört auch der Großteil der UniversitätsabsolventInnen, denen eigentlich einmal die Führungspositionen zugedacht gewesen waren.

Freeter (1) sind eine neue Erscheinung im japanischen Alltag, wo das Versprechen einer lebenslangen Anstellung für die gesamte Nation heute nicht mehr ist als eine Legende aus einer toyotistischen Vergangenheit (2). Freeter sind Leute, die dazu gezwungen sind, ihren Lebensunterhalt dauerhaft mit miesen Jobs zu bestreiten. Das also, was man heutzutage als „Prekariat“ bezeichnet.

Mittlerweile findet man überall in den Parks, in der Nähe von Flussufern und in anderen freien Flecken immer mehr Leute, die dort unter blauen Planen hausen. Die meisten Obdachlosen sind Männer mittleren Alters, die während der Rezession Mitte der 90er Jahre ihren Job verloren haben. Einige verbringen die Nacht in der Kabine eines Internet-Cafes, bevor sie sich am nächsten langen Tag wieder auf die Jagd nach einer Arbeitsgelegenheit machen. Was ist ihnen zugestoßen?

Die neoliberalen Reformen

Die Grundlagen der aktuellen Situation wurden unter der Decke der von einer Wachstumsblase begleiteten neoliberalen Umstrukturierung der Gesellschaft während der 80er Jahre gelegt. Die sozialen und öffentlichen Bereiche wurde getreu den Prinzipien einer reinen Markt-Ökonomie abgebaut. Das Wohlfahrtssystem wurde ausgehöhlt – das Ergebnis war eine brutale Klassenspaltung. Die Gewerkschaften staatlich-kontrollierter Betriebe, einschließlich der mächtigen Kokuro National Railway Union wurden im Zuge der Privatisierungen aufgelöst. Sie wurden mehr oder weniger von Pseudo-Gewerkschaften aufgesogen, die sich den Interessen der Unternehmensgruppen – der Keiretsu – unterordneten.

Bis zu diesem Zeitpunkt konzentrierte sich die prekäre Arbeit – die „industriellen Reservearmee“, wie Marx sie nannte – im Wesentlichen auf die Baubranche. Die Tagelöhner (hiyatoi) lebten ghettoisiert in den heruntergekommenen Wohn- und Rekrutierungskomplexen (Yosebas) der großen Städte – Sanya in Tokio, Kamagasaki in Osaka, Kotobuki-cho in Yokohama und Sasajima in Nagoya.

Diese Arbeiter waren es, die mit Blut und Tränen den japanischen Nachkriegs-Wohlstand schufen (3). Trotz ihrer Arbeit aber blieben sie stets an den Rand der japanischen Gesellschaft gedrängt. In Boom-Phasen auf dem Bau nahm die Schikane durch die Arbeitsvermittler (Tehaishi) stets zu. Verantwortlich dafür waren meistens Gangster (Yakuza), die durch angedrohte oder ausgeübte Gewalt nicht nur einen Teil des Tagelohns einkassierten, sondern auch sonst noch alles, das sie in die Finger bekommen konnten. Heute sind viele der Yosebas verlassen, weil der Bau-Boom vorbei ist und die Methoden der Rekrutierung sich verändert haben. Anstelle die Tagelöhner mit Kleinbussen in den Yosebas abzuholen, rufen die Vermittler heute einfach zu jeder Tages- und Nachtzeit auf dem Handy an – wenn sie die Leute brauchen. Zeitgleich mit dieser Entwicklung enstanden informelle Jobs in immer mehr Bereichen. Ausgestoßen aus den Fabriken und ihren Ghettos, haben sich die Prekären im Laufe der Zeit immer mehr über das gesamte städtische Gebiet ausgebreitet, ohne dass es noch zentrale Versammlungsorte gäbe.

Freeter vernetzen sich, bevor sie sich organisieren

Dies ist der gesellschaftliche Rahmen, in dem sich 2004 die Allgemeine Freeter Union (Freeter Zenpan Roso, FZR) gegründet hat. Ursprung war die PAFF, ein Netzwerk von JobberInnen, „Arbeiters“ (4) Freeter und migrantischen ArbeiterInnen, die sich mit einigen aktiven StudentInnen zusammengetan hatten. Der Aufruf der PAFF zur Gründung einer Gewerkschaft der Freeter zeigte, in welchem Umfang die Strategien der Finanzkreise und die Arbeitspolitik der Regierung prekäre Bedingungen für einen großen Teil der ArbeiterInnen geschaffen hatte. Die Probleme der Freeter betreffen nicht nur die Freeter selbst, sondern die gesamte arbeitende Bevölkerung.

Hauptsitz der Freeter Union ist nach wie vor Tokio, mittlerweile gibt es aber mit ihr verbundene Gruppen in etlichen anderen Städten. Die Anzahl der formell eingetragenen Mitglieder liegt derzeit bei rund 100, der Einfluss der Gewerkschaft ist allerdings deutlich größer. Sie hat viele, die mit ihr sympathisieren und eine ganze Reihe von Gruppen in unterschiedlichen Bereichen beziehen sich auf die Freeter Union. Es gibt Gruppen bei den Tagelöhnern, andere, die Obdachlose unterstützen und welche, die aus migrantischen ArbeiterInnen bestehen. Dann ist da noch die anti-kapitalistische Bewegung, das sind meist Anar-chist-Innen und andere Antiautoritäre, wie das Sanya Struggling Committee, das Sanya Workers Center. Enge Beziehungen gibt es außerdem zur Tokyo Managers Union (5), die 1993 gegründet wurde und die jüngere Gewerkschaft jetzt dadurch unterstützt, dass die die FZR einen Teil ihrer Büroräume mitnutzen kann. Wie sehr sich die Situation in Japan geändert hat, erkennt man nicht zuletzt daran, dass selbst die Discount-Filialleiter der Managers Union unter der Drohung von Entlassung zu immer weiter steigender Mehrarbeit unter zunehmend prekären Bedingungen gezwungen werden.

Die Ziele

Die Kampagnen der Gewerkschaft bewegen sich weitgehend im Rahmen der Arbeitsgesetze. An den Arbeitsplätzen werden aber auch alle viele Formen der direkten Aktion angewendet, darunter das Verteilen von Flugblättern, Streikposten, Singen und andere Performances, die von Musik und Aktionen begleitet sind.

Es gibt eine Reihe von Firmen, die von der Freeter Union aufgrund ihrer Praktiken bevorzugt angegriffen werden. Darunter fallen auch jene Arbeitsvermittler, die sich besonders damit hervortun, die Tagelöhner dem Willen der Leihfirmen gefügig zu machen. Heutzutage sehen die Vermittler nicht mehr aus wie finstere Yakuza, sondern eher wie hippe, vielseitige Firmen. Ein typisches Beispiel ist die Goodwill Group (www.goodwill.com externer Link). Dort ist die Belegschaft dank der Unterstützung der Freeter Union mittlerweile gewerkschaftlich organisiert.

Die Gewerkschaft kämpft auch gegen Gesetzesvorhaben des Ministeriums für Gesundheit und Wohlfahrt, in deren Folge Niedriglöhne und Prekarität weiter zunehmen würden, so die Freeters Union.

„Freeter Handbook“Nach ihrem Arbeitstag treffen sich Mitglieder der Gewerkschaft in ihrem Büro im Shinjuku-Distrikt von Tokio und beantworten telefonische Anfragen. Sie hören sich die Beschwerden genau an und laden die ArbeiterInnen gegebenenfalls in das Büro ein, um den Fall ausführlich zu diskutieren. Da ein Hauptteil der Arbeit zunächst darin besteht, die ArbeiterInnen über ihre Rechte aufzuklären, gibt die Freeter Union das ständig aktualisierte „Freeter Handbook“ (6) heraus.

Um auf die Situation der Freeter aufmerksam zu machen, veranstaltete die Gewerkschaft im Jahre 2004 erstmals den „Freeters May Day“. Mittlerweile haben sich andere Gruppen angeschlossen und die Demonstration wurde in „May Day for Freedom and Survival“ (7) umbenannt. Am 1. Mai 2006 zog die Demonstration mit einem Soundsystem durch die Straßen von Tokio. Die Anzahl der TeilnehmerInnen war zwar recht übersichtlich, dafür war das Interesse der PassantInnen und der Presse an der Aktion jedoch umso größer.

Neue ArbeiterInnen, neue Identität?

Auf diese Weise ist in Japan eine Gewerkschaft entstanden, die sich als Teil des Netzwerks der radikalen anti-autoritären Bewegungen versteht. Man könnte auch sagen, sie ist wiedererstanden, denn zu Beginn des letzten Jahrhunderts gab es bereits anarcho-syndikalistische Gewerkschaften in Japan wie die Shinyûkai der Drucker und die Seishinkai der ArbeiterInnen bei den Zeitungen.

Die gemeinsame Basis der Mitglieder ist ihr Anti-Neoliberalismus und in der Konsequenz Anti-Kapitalismus, wie er auch im Selbstverständnis der Gewerkschaft formuliert ist. Einige Mitglieder der Freeter Union arbeiten in einer Gesellschaft für städtische Gemeinschaft und gegenseitige Hilfe mit, die sich „Dameren“ (Allianz der Verlierer) nennt. Sie entstand Anfang der 90er in Tokio als Reaktion auf den „Jeder-ist-sich-selbst-der-Nächste“-Individualismus der 80er. Die Allianz setzt sich z. B. für den gegenseitigen Zusammenhalt (koryu-suru) ein. Sie betrachtet das bloße Zusammenkommen als elementar wichtig, wie auch das Miteinander-Diskutieren über die alltäglichen Probleme, also auch darüber, warum man zu den „Verlierern“ gehört. Es geht der Dameren aber nicht darum, dass Einzelne hierdurch auf die Seite der „Gewinner“ wechseln, sondern um das kollektive Wachsen.

Die Mitglieder der Freeter Union haben keine einheitliche Weltanschauung. Sie verfolgen jedoch eine Linie, zu der die Ablehnung selbsternannter Avantgarden, die Zurückweisung jeder Art von Kontrolle durch Gewalt und die Entscheidungsfindung in basisdemokratischen (horizontalen) Strukturen gehört. Diese Kultur bestand schon vor der Gründung der Gewerkschaft. Sie entwickelte sich aus einer neuen kulturellen und politischen Identität, die bei vielen Jugendlichen in Folge des Platzens der ökonomischen Blase in den 90ern Verbreitung gefunden hatte.

Im Japan der Nachkriegszeit wurden der ganzen Nation eine Reihe von Idealen aufgedrängt. Dazu gehörte es, einen guten Universitätsabschluss zu machen, eine Führungsposition zu erreichen, früh zu heiraten, ein Auto und ein Haus in der Vorstadt zu kaufen, zwei Kinder zu bekommen usw. Das Erreichen dieser Ziele diente als Maßstab für den Platz in der sozialen Hierarchie.

Heute sind diese Erwartungen in einem allgemeinen Klima der Krise schlichtweg absurd geworden und erscheinen der Jugnd als grausame Fesseln.

Die neue Generation der Freeter stellt dieses Wertesystem, innerhalb dessen sie zu Verlierern abgestempelt und an den Rand gedrängt wurde, zunehmend in Frage. Indem sie dieses Wertesystem kritisiert, sucht sie ihrer Politik und ihrer Kultur zugleich nach einem Weg, den alten Werten zu entfliehen. Die Generation der Freeter möchte den Geist der gegenseitigen Hilfe mit Leben füllen und pflegt die Ästhetik einer selbstgewählten Abkehr von den Mar-ken-Idealen. Ausgehend von der kollektiven Diskussion hat sie begonnen, mit neuen Formen des Zusammenlebens und der gegenseitigen Hilfe zu experimentieren. Dies ist der geistige Hintergrund, vor dem in Japan eine neue Gewerkschaft aufgetaucht ist, um den Kapitalismus zu bekämpfen.

Sabu Kohso (Übersetzung: robot), erschienen in Direkte Aktion 187, Mai/Juni 2008 externer Link

Anmerkungen

(1) arubaito – der japanische Begriff für Teilzeitarbeit oder Tagelohn-Jobs ist direkt dem deutschen Wort „Arbeit“ entlehnt. „ Freeter “ ist ein Kunstwort aus dem englischen „free“ oder „Freelancer“ und arubaito .

(2) Kaizen, die „kontinuierliche Verbesserung“ ist eine Komponente des Toyotismus. Man versteht darunter eine bestimmte Form der Arbeits-organisation, die in Japan entwickelt wurde. Begleitet wurde sie dort von weitgehenden Beschäftigungsgarantien, für die Kernbelegschaften einiger strategischer Wirtschafts-sektoren, wie z.B. der Automobilindustrie.

(3) Hiroshi Teshigahara zeichnet in seinem phantastischen Film „Otoshiana“ (engl. The Pitfall) aus dem Jahre 1962 ein beeindruckendes Bild dieser Zeit aus Sicht eines toten Bergarbeiters.

(4) Der Autor verwendet das Wort „Arbeiters“ im Original. Es bezeichnet in Japan jemanden, der einen Teilzeitjob oder eine ungarantierte Arbeit machen muss.

(5) Die Tokyo Managers Union ist eine kleine Angestellten-Gewerkschaft, in der sich Beschäftigte aus dem unteren Management organisiert haben, die sich von sozialem Abstieg und vom Druck zum Selbstmord zur Ehrenrettung der Firma betroffen fühlen.

(6) Das Freeter Handbook kann von der Website der Freeter Union heruntergeladen werden. http://www.freeter-union.org/resource/freeter-handbook.pdf externer Link pdfDatei. Aktuell ist lediglich eine Fassung in japanischer Sprache verfügbar.

(7) Infos zum „Ersten Mai für die Freiheit und das Überleben“ gibt es u. a. bei: http://mayday2007.nobody.jp/index-en.html externer Link

Tokyo Freeters