Montag, 21. Mai 2012

Der Tod eines Anarchisten in der Dominikanischen Republik | Womblog

Der Tod eines Anarchisten in der Dominikanischen Republik | Womblog

Der Tod eines Anar­chisten in der Domi­ni­ka­ni­schen Republik

Samstag, 19. Mai 2012 | Hintergrundberichte u. Analyse |
Filareto-PorträtLeben und Sterben des Hein­rich Gold­berg alias Fila­reto Kaver­nido. Von Hans-​Ulrich Dill­mann — Santo Dom­ingo | Latin@rama blogs​.taz​.de |
Elf Kugeln been­deten am 16. Mai 1933 das Leben von Hein­rich Gold­berg. Im Staub eines schmalen Pfades ver­blu­tete der deutsch-​jüdische Anar­chist in der Nähe eines kleinen Wei­lers in der Domi­ni­ka­ni­schen Repu­blik, knapp 53 Jahre nach seiner Geburt. Den Mord haben ver­mut­lich Lokal­po­li­tiker mit Bil­li­gung des Dik­ta­tors Rafael Tru­jillo orga­ni­siert. Das Ver­bre­chen ist bis heute ungesühnt.

Nach Ein­bruch der Dun­kel­heit waren die Mörder gekommen. Zeugen spre­chen von 21 Uhr, als zwei Fremde auf dem Grund­stück der land­wirt­schaft­li­chen Gemein­schaft in Arroyo Frío auf­tauchten. Auf der Ter­rasse des ein­fa­chen Holz­hauses zogen die mas­kierten Mörder Waffen und for­derten Hein­rich Gold­berg und seinen Genossen Karl Uhrig auf, ihnen zu folgen. Gold­berg, den die His­to­riker eher unter seinem Pseud­onym Fila­reto Kaver­nido kennen, hatte sich gerade an den Tisch gesetzt, um gemeinsam mit seiner Lebens­ge­fährtin Mally Michaelis, Uhrig, den die Nach­barn nur unter dem Namen »Carlos« kannten, und seinen vier Kin­dern zu Abend zu essen. Er wollte noch seine von der Land­ar­beit schmut­zige Klei­dung wech­seln, aber die Män­nern zwangen ihn mit­zu­kommen – angeb­lich wollten sie in die nahe­ge­le­gene Klein­stadt Moca, rund 20 Kilo­meter entfernt.
Nach nur wenigen Schritten wurde Carlos gezwungen, wieder ins Haus zurück­zu­ge­kehren. Wäh­rend die Lebens­ge­fährtin von Fila­reto noch das Pferd sat­telte, hallten Schüsse durch die ber­gige Gegend im Norden der Domi­ni­ka­ni­schen Repu­blik – heute rund 50 Kilo­meter von jenen Stränden ent­fernt, an denen noch immer deut­sche Tou­ris­tInnen gerne ihren Kari­bik­ur­laub ver­bringen. »Ihr braucht das Pferd nicht mehr zu sat­teln, ich kann mir vor­stellen, was pas­siert ist«, soll Mally zu ihren Kin­dern gesagt haben.
Erst am nächsten Morgen fand sie den Ster­benden in der Nähe des Weges in einem Gebüsch. Eine rich­tige Unter­su­chung fand nicht statt, die Mörder mussten sich nie­mals vor Gericht ver­ant­worten. Hein­rich Gold­berg wurde zuerst in der Pro­vinz­stadt Moca, wenige Jahre später aber auf dem Friedhof von Arroyo Frfo in einem Fami­li­en­grab beige­setzt. Sein Grab ist längst eingeebnet.
»Er kam auf der Suche nach Frieden und Frei­heit, weil er ein Men­schen­freund war«, zitiert die domi­ni­ka­ni­sche Tages­zei­tung Diario Libre einen Weg­ge­fährten 74 Jahre nach seiner Ermor­dung – und fand den Tod. Noch heute erin­nern sich einige Anwohner des Dorfes rechts und links der kur­vigen Straße in der bewal­deten Gebirgs­re­gion. »Der Mann, der Pfer­de­fleisch aß«, diese Cha­rak­te­ri­sie­rung des »komi­schen Aus­län­ders« ist selbst Men­schen heute noch in Erin­ne­rung, die Gold­berg nicht kannten.
»Er war ein guter Mensch«
»EI Viejo« hat den Ermor­deten noch gekannt und als Sechs­jäh­riger den Leichnam auf dem Berg­pfad liegen gesehen. »Der Alte« ist bett­lä­gerig, ein wenig ver­wirrt und möchte nicht über die Täter spre­chen. »Die haben ihn umge­bracht, weil er ein guter Mensch war und uns geholfen hat«, sagt er ledig­lich, bevor er wieder ein­däm­mert. In Diario Libre beruft sich die Jour­na­listin Tania Molina auf anonyme Infor­ma­tionen: »Man sagte, die beiden Männer arbei­teten als Chauf­feur und Ver­walter für den ein­fluss­reichsten Groß­grund­be­sitzer in der Gegend.«
Ob die dama­lige diplo­ma­ti­sche Ver­tre­tung des Dritten Rei­ches in Santo Dom­ingo, dessen Leiter gerne in Uni­form reprä­sen­tierte, die mys­te­riösen Umstände, unter denen Gold­berg zu Tode kam, unter­sucht oder von den domi­ni­ka­ni­schen Behörden Auf­klä­rung gefor­dert hat, kann bezwei­felt werden. Im Archiv des Aus­wär­tigen Amtes sind über den Fall »Hein­rich Gold­berg alias Fila­reto Kaver­nido« keine Akten vor­handen, viele Doku­mente sind im Laufe des Krieges durch Bomben zer­stört worden. Seine Mutter Mally habe später alle Unter­lagen und Doku­mente des Vaters zer­stört, erzählt Sohn Faro. Die Familie wolle nicht mehr über die Sache sprechen.
Andere Fami­li­en­mit­glieder haben jeden Kon­takt und jedes Gespräch über den ermor­de­teri Ver­wandten abge­lehnt, den Bewohner von Moca als einen »kul­ti­vierten und musi­schen Men­schen« beschreiben. Er kam regel­mäßig in die Stadt, erzählt Hilda Schott, die Tochter eines Deutsch-​Dominikaners, über den »komi­schen Typ«. Sie sei beein­druckt gewesen von der hoch­ge­wach­senen Gestalt, seinem langen Kopf­haar und wal­lenden Bart. »Er besuchte meinen Vater und dis­ku­tierte stun­den­lang mit ihm in unserem Haus«, erin­nert sie sich. Später wurde Karl »Carlos« Uhrig ein enger Freund der Familie.
Ein bewegtes Leben
Wer war dieser frühe anar­chis­ti­sche Hippie, der in der Karibik seinen gewalt­samen Tod fand? Fila­reto’[ 1 ] wurde am 24. Juli 1880 als Sohn von Ludwig und Elise Gold­berg in Berlin-​Weißensee geboren, wohin die Familie zwei Jahre zuvor gezogen war. Sein Vater war 1892 der dritt­größte Steu­er­zahler im Bezirk. In der dor­tigen Feldt­mann­straße unter­hielt er eine Pri­vat­klinik, gleich­zeitig war er als Armen­arzt bekannt. Der Vater war in der jüdi­schen Gemeinde aktiv und gehörte in Alt-​Weißensee zwi­schen 1898 und 1904 der jüdi­schen Reprä­sen­tan­ten­ver­samm­lung an.
Fila­reto machte seinen Schul­ab­schluss in Bran­den­burg und stu­dierte von 1900 bis 1904 Medizin an der Ber­liner Uni­ver­sität und in Frei­burg. Seine Dok­tor­ar­beit han­delt von der »hys­te­ri­schen Blind­heit«. In dieser Zeit kam er sowohl mit der Espe­ran­to­be­we­gung, die durch eine gemein­same Lengua franca die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­b­lene unter der Welt­be­völ­ke­rung über­winden wollte und in der linken Bewe­gung Anfang des Jahr­hun­derts viele Anfänger fand, als auch mit den Ideen von Fried­rich Nietz­sche in Kon­takt. 1905 zog er nach Berlin-​Weißensee und ließ sich als Arzt nieder, Später arbei­tete er als Arzt im städ­ti­schen Kran­ken­haus in Fried­richs­hain. Gold­berg hei­ra­tete, bekam eine Tochter. Am 15. Mai 1910 trat er aus der jüdi­schen Gemeinde aus.
In diesen Jahren gehörte Dr. Hein­rich Gold­berg bereits zur Ber­liner Boheme, hatte Kon­takt mit Anar­cho­syn­di­ka­listen, Liber­tären und Naturan­hän­gern. Er selbst bezeich­nete sich als Anar­cho­kom­mu­nisten. Wäh­rend des Ersten Welt­krieges gehörte er pazi­fis­ti­schen Kreisen an. Um sich sam­melte er einen Kreis von Men­schen, die einen uto­pi­schen Kom­mu­nismus ver­traten und einer Rück­be­sin­nung auf das länd­liche Leben das Wort redeten. Damit ver­bunden war das Leben in freier Natur, Frei­kör­per­kultur, die Ableh­nung von tra­di­tio­nellen Fami­li­en­struk­turen und jed­weder bür­ger­li­cher Normen sowie die freie Liebe.
1918, als Anar­chisten und Kom­mu­nisten für eine freie Räte­re­pu­blik kämpften – nicht wenige ihrer Ver­treter waren jüdi­sche Linke –, hatte Hein­rich Gold­berg sich bereits einen anderen Namen zuge­legt: Fila­reto Kaver­nido – in Espe­ranto bedeutet der Name so viel wie der »Freund der Höhle« – und eine Kom­mune gegründet, die sich »La Kaverna di Zara­thustra«, »Die Höhle des Zara­thustra«, nannte. Bilder zeigen ihn mit wehendem Haar und langem Voll­bart, eine Art Pro­phet, der durch sein wal­lendes Gewand auf­fiel, aber auch durch seine Gewohn­heit, durch die Straßen Ber­lins barfuß zu laufen. Sein Sohn Ver­tuemo berichtet in seinen Erin­ne­rungen, dass sein Vater immer Auf­sehen erregt habe »mit seiner weißen Tunika, die bis auf den Boden reichte und einen Arm frei ließ. (…) Manchmal war er Gegen­stand von Gespött, um das er sich jedoch nicht kümmerte.«
Die Kom­mune im Scheunenviertel
In den 20er-​Jahren machte Gold­berg in der Haupt­stadt der Wei­marer Repu­blik als Redner, Agi­tator, Pole­miker und Werber für seine Kom­mu­nen­idee auf sich auf­merksam. Die Kom­mune wohnte in der Mulack­straße, im Scheu­nen­viertel, dem jüdi­schen Stedl in Berlin, in dem sich sowohl Armuts­juden drängten, die vor den Pogromen im zaris­ti­schen Russ­land geflohen waren, als auch jüdi­sche Intel­lek­tu­elle und Linke lebten. Unter dieser Anschrift publi­zierte Gold­berg auch Trak­tate wie »Kul­tur­kampf anstatt Klas­sen­kampf« in denen er sich mehr und mehr von den Klas­sen­kampf­theo­rien der anar­cho­syn­di­ka­lis­ti­schen Bewe­gung um Augustin Souchy, Rudolf Rocker, Pierre Ramus alias Rudolf Gross­mann absetzte.
Tamen Köhler schreibt in einem bio­gra­fi­schen Abriss über das Leben von Johanna »Hann­chen« Gloger, eine der Lebens­ge­fähr­tinnen Fila­retos: »Die Kom­mune lebte län­gere Zeit in der Mulack­straße im Scheu­nen­viertel. Dies war fast ein Ghetto für zuge­wan­derte Ost­juden, es war aber auch die Gegend der Pro­sti­tu­ierten und Zuhälter. Die Kom­mune erregte keinen Anstoß, weder bei den luden noch bei den Huren, nur bei der Polizei, die sich um die sitt­liche Gefähr­dung der ältesten Töchter sorgte.« Offi­ziell ist Kom­mu­narde Fila­reto in der Rosenthaler Straße als »Dr. Hein­rich Gold­berg, Medi­ziner und Phi­lo­soph« registriert.
Außer im Scheu­nen­viertel hält sich die »Höh­len­kom­mune« auch im Bran­den­burger Umland, in der Mär­ki­schen Schweiz, auf. Im Rothen Luch, in der Nähe von Mün­che­berg, besitzt sie ein Grund­stück, zu dem auch Höhlen gehören, und wo die Mit­glieder der anarcho-​Iibertären Gemein­schaft »selbst­ver­sor­gende Land­wirt­schaft« betreiben. Auf­sehen erregen sie vor allem durch ihre Ange­wohn­heit, sich auch nackt auf dem Gelände zu bewegen. »Er und andere Mit­glieder der Kom­mune ver­brachten dort den ganzen Sommer und sogar Perioden wäh­rend der kalten Jah­res­zeit. Es gibt wenigs­tens eine Hand­wer­ker­gruppe von Schnei­dern in Berlin-​Mariendorf, die der Kom­mune ange­hört. Mit min­des­tens zwei Frauen, die Mit­glieder der Kom­mune sind, hat Fila­reto Kaver­nido zwi­schen 1921 und 1927 meh­rere Kinder: Hann­chen (Gloger) und Mally (Amalia Michaelis), einer Tochter aus jüdi­schem Hause (…), die er spä­tes­tens 1919 ken­nen­lernt. Alle Kinder bekommen einen Ido-​Namen.« [ 2 ]
Eine Ullstein-​Illustrierte berichtet von der »Goldberg-​Kommune« unter dem Titel »Freie Liebe hin­term Bahn­damm«. Nachdem es immer wieder Skan­dale um die Nackten der »Höhlen-​Kommune« gab und der Arzt Gold­berg wegen angeb­li­chen Ver­stoßes gegen den Para­gra­phen 218 und damit wegen des Abtrei­bungs­ver­bots Ärger mit der Justiz bekam, über­legte Fila­reto Kaver­nido, der sich in seiner per­sön­li­chen Kor­re­spon­denz und in seinem Bei­trägen für anar­chis­ti­sche und liber­täre Publi­ka­tionen so nannte, mit seinen Kom­mu­narden aus Deutsch­land aus­zu­wan­dern. »Wir sind heute nach sieben Jahren ein Stamm von zwölf Erwach­senen und 17 Kin­dern, die an pri­mi­tivste Lebens­füh­rung und ernste andau­ernde Arbeit gewöhnt sind. Wir haben weder Sta­tuten noch Ehe noch sonst irgend­welche Vor­ur­teile der kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft«, schreibt Fila­reto über seine Kom­mune an eine Gesin­nungs­ge­nossin in der Schweiz. [ 3 ] 1926 sie­delt sich die Kom­mune in Tourrettes-​sur-​Loup in der Nähe von Nizza an.
Kon­flikte und Auswanderung
Unum­stritten war der liber­täre Kom­mu­narde Fila­reto in dieser Zeit inner­halb der Kom­mune nicht. Aus­ein­an­der­set­zungen über seinen auto­ri­tären Füh­rungs­stil führten schon wäh­rend der Ber­liner Zeit dazu, dass Mit­glieder die »Kaverna di Zara­thustra« ver­ließen. Auch seine Genossin und Lebens­ge­fährtin Hann­chen wandte sich von ihm ab, weil er die Kinder und sie miss­han­delt habe. Zum Ero­si­ons­pro­zess wegen inhalt­li­cher und poli­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zungen, die teil­weise gewaltsam endeten, den ärmli­chen Ver­hält­nissen, die kaum zum Lebens­un­ter­halt reichten, kamen Pro­bleme mit den fran­zö­si­schen Behörden. Zwi­schen­zeit­lich lebten die Kom­mu­n­e­mit­glieder in Korsika.
Ver­mut­lich hat dies Fila­reto bewogen, neue Per­spek­tiven in Übersee zu suchen. Ende der 20er-​Jahre suchte die Domi­ni­ka­ni­sche Repu­blik hän­de­rin­gend nach Per­sonen, die die kaum bewohnten rück­stän­digen land­wirt­schaft­li­chen Regionen besie­deln sollten. Ziel war es auch, »weiße Siedler ins Land zu holen, um den Anteil der far­bigen Bevöl­ke­rung zu ver­rin­gern«. Sie bekamen als Start­hilfe nicht nur ein Stück Land zur Rodung zur Ver­fü­gung gestellt, son­dern auch Werk­zeug und Arbeits­ge­räte für die Bewirt­schaf­tung sowie Saatgut. Ins­ge­samt sie­delte die Domi­ni­ka­ni­sche Repu­blik, in der 1930 nach einem kalten Mili­tär­putsch der Ober­be­fehls­haber der Armee, Rafael Leö­nides Tru­jillo Molina, das dik­ta­to­ri­sche Regi­ment über­nommen hatte, 670 Colonos, Siedler, an. Ein Teil davon kam aus Europa.
Wie viele Zarathustra-​Kommunarden letzt­end­lich Rich­tung Karibik mit einem Fracht­schiff von Mar­seille aus auf­bra­chen, ist nicht genau über­lie­fert. Zur Gruppe gehörten auf jeden Fall Mally und ihre vier Kinder sowie Karl »Carlos« Uhrig. Will­kommen war sie jedoch nach ihrer drei­wö­chigen Reise nicht überall. Die hai­tia­ni­schen Behörden geneh­migten ihr nur wider­willig die Durch­reise in die Domi­ni­ka­ni­sche Repu­blik, die sich mit Haiti die zweit­größte Kari­bik­insel Hispa­niola teilt.
In den Jahren nach seiner Ankunft ver­suchte Fila­reto Kaver­nido wei­tere Anhänger der Frei­kör­per­kultur und der Kom­mu­nar­den­be­we­gung ins Land zu holen – so wie es scheint jedoch ver­geb­lich. Einige, die kamen, ver­ließen schon nach kurzer Zeit wieder die Gemein­schaft in Arroyo Frío in der Nähe des Ortes Jamao. Fila­reto Kaver­nido küm­merte sich nicht so intensiv um den Landbau, wie es sich die domi­ni­ka­ni­schen Behörden gewünscht hatten. Er ver­trat die These, dass man nur soviel zu arbeiten solle, wie für den unmit­tel­baren Lebens­un­ter­halt wichtig sei. Viel­mehr setzte Fila­reto unbe­küm­mert seine Agi­ta­tion für ein freies, staat­lich nicht regle­men­tiertes Leben und die freie Liebe fort.
Am 29. Juli 1932 schrieb Fila­reto an seinen fran­zö­si­schen Genossen Oscar Piérru in Calais: »Wo nir­gends auf der Welt fin­dest du einen schö­neren und gesün­deren Ort als bei uns. Das gemein­same Leben mit den damit ver­bun­denen unter­schied­lichsten Arbeiten gibt jedem die Mög­lich­keit, sich nütz­lich zu machen. Dar­über hinaus ver­spreche ich dir, dass du in sechs Monaten ein starker Mann sein wirst, und wenn es dir gefällt, sogar eine Axt bedienen kannst, wenn du dich wirk­lich von mir beraten und leiten lässt. (…) Was das Sexu­al­leben betrifft, lassen wir jedem Mann oder Frau die abso­lute Frei­heit, über sich zu ver­fügen. Wir ver­treten die Theorie, jede darf mit jedem und jeder mit jeder, ansonsten achten wir das Recht einer Person einer anderen gegen­über.« [ 4 ]
Zu dieser Zeit haben die lokalen Behörden und Regie­rungs­ver­treter schon ein kri­ti­sches Auge auf den Ein­wan­derer und seine Mit­be­woh­ne­rInnen in Arroyo Frfo geworfen. Grund­be­sit­zern ist er mit seinen Thesen vom gemein­samen Besitz ein Dorn im Auge, örtliche Medi­ziner ver­folgen die Akti­vi­täten des deut­schen »Bar­fuß­arztes« mit größer wer­dender Ver­är­ge­rung, weil er sich für eine Behand­lung in Natu­ra­lien bezahlen lässt und zu einer Kon­kur­renz zu werden droht. Der Pro­vinz­gou­ver­neur von Moca, Jacobo de Lara, betont in einem Memo­randum an den »Ehren­haften Prä­si­denten der Repu­blik, General Don Rafael L. Tru­jillo M.«, dem er die spa­ni­sche Über­set­zung des zitierten Briefes von Fila­reto bei­legt, dass »es unaus­weich­lich ist, unver­züg­lich Maß­nahmen zu ergreifen, um das Böse zu besei­tigen, das uns auf diese Weise ver­un­rei­nigt«. [ 5 ]
Zwei Wochen später fasst der Assis­tent des Minis­ters für Land­wirt­schaft und Handel, T. Hern­ändez Franco, in einem fünf­sei­tigen Unter­su­chungs­be­richt einen Besuch in der land­wirt­schaft­li­chen Kolonie zusammen. Hein­rich Gold­berg dlias Fila­reto Kaver­nido und seine Gruppe seien eine soziale und mora­li­sche Gefahr für die Sied­lung und die domi­ni­ka­ni­sche Gesell­schaft: »Des­halb glaube ich, dass es dring­lich ist, dass Dr. Gold­berg und seine gesamte Gruppe aus Arroyo Frfo und aus der Domi­ni­ka­ni­schen Repu­blik aus­ge­wiesen wird.« [ 6 ]
Am 6. Mai for­dert auch der Minister die Aus­wei­sung Fila­retos. Zehn Tage später wird der Medi­ziner, liber­täre Uto­pist, Kom­mu­narde Dr. Hein­rich Gold­berg alias Fila­reto Kaver­nido im Alter von 52 Jahren ermordet. Ein Schicksal, das er mit vielen vor und nach ihm wäh­rend der blu­tigen dik­ta­to­ri­schen Regent­schaft von Rafael Tru­jillo teilt, die 31 Jahre lang – von 1930 bis 1961 – dauerte.
www​.fila​reto​.info
Quelle: – Latin@rama – blogs​.taz​.de – Vielen Dank an den Autor Hans-​Ulrich Dill­mann, für die Abdruckerlaubnis.


Anmer­kungen


[1] — Bei den bio­gra­fi­schen Daten folge ich weit­ge­hend den Infor­ma­tionen, die San­tiago Tovar zusam­men­ge­tragen und auf einer Web­seite ver­öf­fent­licht hat unter dem Titel: »Vida de Hein­rich Gold­berg alias Fila­reto Kaver­nido« zugäng­lich gemacht hat. www​.fila​reto​.info.
[2] - Siehe Wiki­pedia: http://​de​.wiki​pedia​.org/​w​i​k​i​/​I​d​o​_​(​S​p​r​a​che)
[3] — Brief von Fila­reto Kaver­nido an M. Faas Har­degger in Zürich, datiert Paris 15. August 1925.
[4] — Von den domi­ni­ka­ni­schen Behörden abge­fan­gener Briefes Fila­retos an Piérru vom 29. Juli 1932, aus dem Soa­ni­schen ins Deut­sche über­setzt. Archivo General de la Nación, Santo Dom­ingo, Fondo Pre­si­dencia, Inte­rior y Policia, cod_​127/​caja_​2063
[5] — Brief Núm 650 vom 1. April 1933, Archivo General de la Nación, Santo Dom­ingo, Fondo Pre­si­dencia, Inte­rior y Policia, cod_​127/​caja_​2063
[6] — Brief 561 vom 6. Mai 1933, Archivo General de la Nación, Santo Dom­ingo, Fondo Pre­si­dencia, Inte­rior y Policia, cod_​127/​caja_​2063