Minigewerkschaften mit Maxieinfluss | Telepolis
Eines dieser kleinen, jedoch erstaunlichen Beispiele  ereignete sich im eher beschaulichen Südschwarzwald. Die in Waldkirch  sitzende Sick AG ist in der dortigen Wirtschaftslandschaft eines der  Vorzeigeunternehmen. Nicht nur, dass die Sick AG herausragende Produkte  im Bereich der Optoelektronik anfertigt. Das Unternehmen gilt auch als  besonders sozial gegenüber seinen etwa 5.000 Mitarbeitern. Das  Verhältnis zwischen Unternehmensleitung und dem von der IGMetall  dominierten Betriebsrat gilt als ausgesprochen gut. 
Trotzdem kam es in der Vergangenheit zu einigen 
Turbulenzen  zwischen dem, von der IGMetall dominierten, Betriebsrat und der  Unternehmensleitung auf der einen Seite und der anarchosyndikalistischen  Gewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) auf der anderen.  
Nachdem einige Mitarbeiter aus dem innerbetrieblichen  Transportbereich der Sick AG gegenüber ihrem Betriebsrat die Forderung  nach einer Anhebung ihrer Bezüge von Lohngruppe 2 auf Gruppe 3  aufstellten, mussten sie von dort erfahren, dass der Betriebsrat bei  dieser Sache leider machtlos sei. In der Folge wandten sich die 9  betroffenen Mitarbeiter an einen in der FAU organisierten Kollegen. Ab  diesem Zeitpunkt übernahm die kleine anarchistische Gewerkschaft die  Organisation der Mitarbeiter. 
Nach langen Verhandlungen zwischen den Mitarbeitern und  der Unternehmensleitung zeigte sich jedoch, dass dort zunächst wenig zu  erreichen war. Erst nachdem die Gruppe der Logistikarbeiter auf einer  Betriebsversammlung sowohl vor der Unternehmensleitung, als auch vor dem  Betriebsrat mit Nachdruck deutlich machte, dass sie bereit wären, alle  Möglichkeiten, die ihnen das Betriebsverfassungsgesetz gibt,  auszuschöpfen, kam Bewegung in die Sache. Letztendlich entschied jedoch  eine kurze, aber wirksame Aktion der Mitarbeiter.  
So erschienen sie kurzerhand unangemeldet während einer  der Verhandlungen zwischen der Unternehmensleitung und dem Betriebsrat  und verliehen dabei ihrer Forderung noch einmal lautstarken Nachdruck.  Im Ergebnis musste die Betriebsleitung, jedoch auch der Betriebsrat den  Forderungen der 9 Mitarbeiter nachgeben. Durch die so erkämpfte  Lohnerhöhung stehen den Mitarbeitern nun monatlich über 100 Euro brutto  mehr zur Verfügung. 
Wie sich an diesem kleinen Beispiel leicht zeigen lässt,  müssen die schwächeren Mitarbeiter eines Unternehmens beim Auftreten  von Spartengewerkschaften nicht zwangsläufig zurückbleiben. Gerade die  Flexibilität der kleinen Gewerkschaften sorgt immer wieder für eine  höhere Durchschlagskraft, als sie eine große und träge Gewerkschaft  erreichen kann. Vielmehr zeigt das Beispiel, dass auch - und  möglicherweise gerade - die großen Gewerkschaften nicht automatisch auf  der Seite aller Mitarbeiter stehen müssen.